TAGESSPIEGEL
2023 / 05 / 11

 
Was Felix Pörnbacher und seine Mitgründer versprechen, klingt so revolutionär, dass BMW und Continental ganz schnell bei DeepDrive eingestiegen sind. Das Start-up aus München hat E-Motoren entwickelt, die sehr leicht, kostengünstig und leistungsstark sind. Deshalb können sie vom E-Scooter bis zum Flugzeug eingesetzt werden.

Felix Pörnbacher wirkt beim Videogespräch sachlich, ruhig, bescheiden – und viel reifer, als man es von einem 27-Jährigen erwarten würde. Angesichts seines Lebenslaufs ist das nicht ganz überraschend. In einem Alter, in dem andere noch in der Findungsphase sind, kann Pörnbacher auf Studienzeiten in China und Italien und einen Job bei der Investmentbank Rothschild in London zurückblicken.

Vor allem aber auf die Gründung von DeepDrive im Mai 2021. Was in einer Halle begonnen hat, die Pörnbacher und seine sechs Mitgründer von einem verrückten Waliser untergemietet haben, der dort VW-Busse umbaut, ist heute ein schnell wachsendes Start-up, in das unter anderem BMW und Continental mehrere Millionen Euro investiert haben.

So bescheiden Co-Geschäftsführer Pörnbacher vom Typ her wirkt, so selbstbewusst sind seine Aussagen. Experten aus der Autoindustrie hätten prognostiziert: „Dieser Antrieb kann der Standardantrieb werden.“ Die Elektromotoren von DeepDrive kosten nach Firmenangaben 30 Prozent weniger bei vergleichbarem Drehmoment. Sie ermöglichen 20 Prozent mehr Reichweite als heutige E-Motoren. Sie benötigen in der Produktion 50 Prozent weniger magnetisches Material und 80 Prozent weniger Eisen. Die Magneten brauchen keine schweren seltenen Erden.

DeepDrive baut sogenannte Radialflussmotoren mit einen Doppelrotor. Das heißt: Sowohl ein Innen- als auch ein Außenläufer bewegt sich um den feststehenden Stator herum. Das führt zu mehr Drehmoment und Effizienz als bei anderen Radial- oder Axialflussmotoren. Das ebenfalls hoch gehandelte britische Unternehmen Yasa beispielsweise stellt Axialflussmotoren her.

 
IDEEN STARK PATENTGESCHÜTZT
Warum ist bisher niemand auf die gleiche Idee gekommen wie DeepDrive? Pörnbacher sagt, die Technik sei im Grunde seit mindestens 20 Jahren bekannt. Bisher habe es aber niemand geschafft, sie in einem realen Motor einzusetzen. Er und seine Kollegen hätten fünf bis sechs Innovationen richtig zusammengefügt und damit Erfolg gehabt. Natürlich seien diese Ideen stark patentgeschützt.

„Wir sind Enabler“, sagt Pörnbacher im Gespräch mit Tagesspiegel Background. Dadurch dass die Motoren von DeepDrive klein, leicht und drehmomentstark sind, schaffen sie Platz im Auto. Sie können zentral im Fahrzeug verbaut werden, aber auch als Radnabenantrieb. Wenn die Motoren an den Rädern sitzen, sind Getriebe und Differential überflüssig. Der zusätzliche Platz kann für Passagiere eingesetzt werden – etwa in autonomen Shuttles – oder für Batterien mit einer geringeren Energiedichte wie Natrium-Ionen-Akkus.

DeepDrive ist mit acht der zehn größten Autohersteller im Gespräch. Nächstes Jahr wollen Pörnbacher und sein Co-Geschäftsführer Stefan Ender bekanntgeben, mit wem das Start-up zusammenarbeiten wird. In den kommenden zwei Jahren soll die Serienfertigung vorbereitet und gestartet werden. Dabei will DeepDrive pragmatisch vorgehen: Es soll eine Mischung aus Eigenfertigung und Produktion bei Autoherstellern und Auftragsfertigern geben.

Das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten ist breit: Pörnbacher nennt neben Pkw und Lkw noch E-Scooter, Boote, Flugzeuge und Roboter. Bei Radnabenmotoren denken viele an Rimac, den kroatischen Hersteller von elektrischen Supersportwagen. „Wir sind begeistert von Mate Rimac“, sagt Pörnbacher. „Aber das ist eher ein lockerer Austausch.“ DeepDrive und Rimac seien bisher keine Geschäftspartner.

Der Fokus des Münchner Start-ups liegt zunächst auf der Serienproduktion. Das ist jetzt wichtiger als Umsatz- und Gewinnzahlen. Die Erlöse sind im Moment siebenstellig und sollen steil ansteigen, break even würde dann fast automatisch geschafft. „Wir wollen ein dominantes Großunternehmen werden“, sagt Pörnbacher.

 
EX-ENTWICKLUNGSCHEF VON AUDI ALS BUSINESS ANGEL DABEI
Die Finanzierung ist zunächst gesichert: Bei der jüngsten Finanzierungsrunde hat DeepDrive 15 Millionen Euro eingesammelt, 2022 waren es 4,3 Millionen. Neben BMW und Continental über ihre Venture-Capital-Gesellschaften sind noch Bayern Kapital, UVC Partners und zwei Business Angels an Bord. Einer davon ist Peter Mertens, ehemaliger Technikvorstand bei Volvo und Entwicklungschef bei Audi.

Die sieben Gründer von DeepDrive halten rund die Hälfte der Anteile der GmbH. Sie wollen ganz bewusst keinen Großinvestor von außen. „Niemand soll uns billig rauskaufen“, sagt Pörnbacher. Sie alle wollten nicht das schnelle Geld, sondern ein Unternehmen, das die E-Mobilität grundlegend verändere.

Im Moment sind sie bei DeepDrive knapp 40 Leute, Ende des Jahres sollen es 70 sein. Pörnbacher stellt viele recht junge Ingenieur:innen ein, im Schnitt haben sie acht Jahre Berufserfahrung. Sie sollen noch „diesen Hunger haben“.

Viele davon stammen aus einem Netzwerk aus Pörnbachers Studienzeit. An der TU München belegt der Landshuter BWL mit Schwerpunkt Maschinenbau. Dort verbringt er eineinhalb Jahre vorwiegend mit der Formula Student. Das ist eine Rennserie für kleine E-Autos. Es geht um Längs- und Querbeschleunigung, aber auch um den Kostenplan. Die Münchner belegen zu dieser Zeit weltweit Platz 1.

„Die Uni ist ein bisschen zu kurz gekommen“, erinnert sich Pörnbacher. „Wir haben oft in der Werkstatt geschlafen. Es war eine verdammt gute Zeit.“ Er ist damals schon der Mann für die Organisation und die Finanzen – so wie heute bei DeepDrive, wo er Stefan Ender die Produktentwicklung überlässt.

Sechs seiner Freunde aus der Formula Student werden später Pörnbachers Mitgründer. Dazwischen studiert er aber noch ein halbes Jahr in Shanghai, wo er Chinesisch lernt und die dortige Industrie versteht. Damals, um die Jahreswende 2015/16, nimmt er das Land als aufstrebend, aber auch weltoffen wahr. Über einen Besuch in Taiwan im vergangenen November sagt er: „Es ist krass, wie sich die chinesische Mentalität in den vergangenen Jahren verändert hat.“ Der Patriotismus gehe schon stark ins Nationalistische. Gleichwohl sei China ein spannender, großer Markt. „Den darf man nicht ignorieren.“

In Rotterdam beschäftigt sich Pörnbacher mit Fintechs und Unternehmensbewertung, an der Mailänder Universität Bocconi macht er einen Master in Finance. Nach dem Studium arbeitet er zwei Jahre in London bei der Investmentbank Rothschild. In der Abteilung Mergers & Acquisitions kommt Pörnbacher in Kontakt mit der Autoindustrie. „Das war eine sehr lehrreiche Zeit“, sagt er. „Wir haben diese Fragen beantwortet: Was macht Unternehmen erfolgreich? Auf was schauen Investoren und Käufer? Wie kann man Geschäftsmodelle skalieren?“ Genau das hilft ihm heute.

 
IN GROSSUNTERNEHMEN ZU VIELE BEDENKENTRÄGER
Irgendwie spürt Pörnbacher, dass er nicht sein ganzes Leben lang das Geld anderer Leute vermehren will. „Während der Corona-Zeit hatte ich immer sonntagabends Skype-Calls mit den alten Kollegen aus dem Studium“, erinnert er sich. Die hatten mittlerweile gute Ingenieursjobs bei Bosch und anderen renommierten Unternehmen. Und irgendwann kommen die ehemaligen Tüftler aus der Formula Student auf die Idee: „E-Motoren kann man viel besser und kostengünstiger bauen.“

Sie stellen fest, dass sie ihre Innovation in Großunternehmen nicht würden umsetzen können. „Da gibt es zu viele Bedenkenträger“, sagt Pörnbacher. „Es herrscht eine gewisse Risikoaversität. Viele Manager haben viel zu verlieren. Die Hürde für Disruption ist höher als in Start-ups.“ Bei DeepDrive dagegen „müssen wir Strukturen selbst schaffen und dabei vielleicht auch mal auf die Schnauze fallen“.

Bisher ist das offensichtlich nicht allzu oft passiert. Für die anderen war das Risiko noch höher als für Pörnbacher. „Ich war im Gründerteam der Jüngste“, erinnert er sich. „Die anderen waren verheiratet, oft mit Kindern. Für die war das ein großer Schritt.“ Er hat sich für alle gelohnt – nicht nur ökonomisch.

Welches Auto kaufen Sie als nächstes?
Eines mit DeepDrive-Antrieb. Im Moment habe ich gar keines. Falls nötig, nutze ich Carsharing.

Wie halten Sie es mit dem Fliegen?
Ich reduziere es so weit wie möglich. Für Kurzstrecken nehme ich die Bahn. Für Langstrecken hoffe ich auf Elektro- oder Wasserstoffflugzeuge.

Wer gibt in der Mobilitätsbranche das Tempo vor?
Disruptive Ideen von Start-ups.

Wo würden Sie gerne das Rad neu erfinden?
Ich glaube ganz stark an Module im Fahrzeug. Das spart Kosten und Entwicklungszeit. So werden zum Beispiel in sogenannten Corner-Modulen Antrieb, Bremse und Lenkung integriert.

 
Jens Tartler

 
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