HANDELSBLATT
2023 / 03 / 24

 
Um die Effizienz von Elektroautos zu verbessern, hat es in den vergangenen Jahren vor allem bei den Batterien große Fortschritte gegeben. „Doch gerade beim Motor selbst sind noch große Entwicklungssprünge möglich“, sagt Deepdrive-Gründer Felix Pörnbacher. Das Start-up hat einen besonders leichten und effizienten Motor entwickelt, der nach Einschätzung des Unternehmens das Potenzial hat, einmal zum weltweiten Standard zu werden.

Prominente Investoren wie die Venture-Capital-Ableger von BMW und Continental sowie den früheren Audi- und Volvo-Entwicklungschef Peter Mertens konnte das Unternehmen zumindest jetzt schon einmal von der Technologie überzeugen. Sie beteiligten sich im Rahmen der jüngsten 15-Millionen-Euro-Finanzierungsrunde an dem Start-up.

Deepdrive hat einen Doppelrotormotor entwickelt. Bei herkömmlichen Elektromotoren ist der Rotor meist innen, in selteneren Fällen außen. „Die Idee eines Doppelrotors, der beides vereint, ist eigentlich schon 100 Jahre alt“, sagt Mitgründer Stefan Ender. Doch erst jetzt sei es Deepdrive gelungen, das Prinzip serientauglich zu entwickeln. Die Motoren hätten eine deutlich höhere Drehmoment- und Leistungsdichte als herkömmliche Elektromotoren.
 

Deepdrive: Elektroautos sollen mehr Reichweite haben

Die Elektroautos sollen damit bei gleich großer Batterie 20 Prozent mehr Reichweite haben als bisher üblich. Zudem ist der Motor leichter und braucht somit weniger Ressourcen wie zum Beispiel seltene Erden. Da die Doppelrotormotoren weniger Platz brauchen, können sie auch in der Radnabe ohne Getriebe eingesetzt werden. „Das wird ein interessantes Marktsegment werden“, sagt Pörnbacher.

Vor allem beim Zentralantrieb könne die Technologie zum Standard werden. „Dann reden wir von einem Markt von Dutzenden oder Hunderten Milliarden Euro Umsatz im Jahr“, so Mitgründer Ender. Nach seiner Einschätzung hat das Unternehmen die Entwicklung mit einer Reihe von Patenten gut geschützt, aktuell gebe es keinen Konkurrenten, der auch nur annähernd so weit sei.

Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research sagt, die Idee sei grundsätzlich spannend. „Es sieht so aus, als hätte man durch technische Verbesserungen ein interessanten E-Motor-Konzept nach dem Dual-Rotor-Prinzip geschaffen.“ Doch müssten erst die Analysen der Autobauer zeigen, ob der Wirkungsgrad auch über größere Teillastbereiche – also nicht nur bei der Nennleistung – deutlich verbessert werden könne.
 

Continental und BMW sehen Potential bei E-Motoren von Deepdrive

Mit acht der zehn größten Autobauer der Welt ist Deepdrive nach eigenen Angaben im Gespräch. Die Großserienproduktion soll 2026 starten. Das notwendige Kapital wurde in der jüngsten Finanzierungsrunde eingesammelt. „Die hocheffizienten E-Motoren bringen große Vorteile bei Gewicht, Kosten und Platzausnutzung“, sagte Marcus Behrendt vom Investment-Ableger BMW i Ventures. Ziel sei jetzt die Skalierung zur Großserie. „Wir freuen uns, dass wir mit unserer Beteiligung dieser neuen Technologie zum Durchbruch verhelfen können.“

Neben den Venture-Capital-Einheiten von BMW und Continental investierten auch wieder UVC Partners und Wachstumsfonds Bayern, die bereits in früheren Finanzierungsrunden beteiligt waren. Hinzu kommt der ehemalige Audi-Entwicklungsvorstand Mertens. Er sagte, das Engagement von BMW und Conti könne auf dem Weg zur Großserienproduktion helfen. Deepdrive habe „das Zeug dazu, einen neuen Standard in der Branche zu setzen“.

Jürgen Bilo von der Continental Corporate Venture Capital Unit sieht das ähnlich: „Nach Beurteilung des Gesamtkonzeptes sowie der Effizienz des Motors sind wir davon überzeugt, dass Deepdrive die Marktdurchdringung der Elektromobilität entscheidend vorantreiben kann.“
 

BMW will früh bei neuen Technologien präsent sein

Deepdrive sieht das Engagement der Dax-Konzerne eher als Finanzinvestment. Doch zeigt das Engagement von BMW, dass das junge Unternehmen in der Branche ernst genommen wird. Schließlich entwickelt der Autobauer selbst mit einem zigfach größeren Etat Elektromotoren ebenso wie konventionelle Antriebe für seine Fahrzeuge.

Die Entwickler von Elektromotoren bei BMW würden ihren Fachbereich ständig nach neuen Entwicklungen scannen und könnten so Innovationen kompetent bewerten, sagt Behrendt dazu. „Sie haben der Deepdrive-Entwicklung großes Potenzial bescheinigt.“

BMW will über die Beteiligungen von i Ventures, das seine Investmententscheidungen grundsätzlich unabhängig von der Zentrale trifft, früh bei Technologien präsent sein, die sich in einigen Jahren durchsetzen könnten. Dazu hat der Konzern 2021 einen weiteren 300-Millionen-Dollar-Fonds aufgelegt, mit dem vor allem in Nachhaltigkeit und Elektromobilität investiert werden soll.
 

BMW i Ventures finanziert weitere Start-Ups

So beteiligte sich BMW i Ventures zum Beispiel als Lead-Investor bei Mangrove Lithium. Das kanadische Unternehmen hat eine Technologie entwickelt, mit der neues und recyceltes Roh-Lithium durch ein elektrochemisches Verfahren direkt in batterietaugliches Material verwandelt wird. Das senkt die Produktionskosten und verbraucht deutlich weniger Energie.

BMW stieg zudem bei dem Start-up Solid Power ein, das an der Entwicklung von Feststoffzellbatterien arbeitet. Die Technologie gilt als ein möglicher Nachfolger der heutigen Lithium-Ionen-Batterien. Das Unternehmen hofft, die Technologie ab 2025 einsetzen zu können, und so der Konkurrenz voraus zu sein.

Deepdrive will nun möglichst schnell einen Autobauer finden, der eine Großserie mit Doppelrotormotoren anstrebt. „Wir sind überzeugt, dass wir ein großer Player werden können“, sagt Gründer Pörnbacher. Auf dem Weg dahin sei ein Börsengang denkbar.

Axel Höpner

 
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